Werbung und Public Relations im Schulfilm

Fallstudie, EDU_COLL_014


Da Film in der Herstellung ein teures Lehrmittel ist, hat sich in der Geschichte des Lehrfilms oft die Frage nach Wiederverwertung bestehender Filme (etwa von Werbe- und Imagefilmen von Unternehmen oder politischen Körperschaften) oder nach privatem Sponsoring gestellt. Zugleich gab es, stark ausgeprägt im deutschen Sprachraum, seit Anfang der 20. Jahrhunderts Skepsis gegen den Einsatz von Werbemedien in pädagogischen Settings, und ganz besonders im Schulunterricht. Zwar wurden immer wieder privat produzierte Filme mit Werbeaspekten in den Schulverleih aufgenommen, wenn sie diskret gestaltet und pädagogisch nützlich waren (gerade in den 1920er Jahren als es einen Mangel an geeigneten Lehrfilmen gab: siehe "'Wie entsteht ein Bleistift'"). In Österreich – und auch in der nationalsozialistisch annektierten Ostmark – wurde vom Staat wie von den Lehrer*innenorganisationen aber stark darauf Wert gelegt, im Schulunterricht Filme einzusetzen, die nach pädagogischen Gesichtspunkten und (abgesehen von der eigenen politischen Propaganda) möglichst werbefrei gestaltet waren. Diese Haltung geriet in Österreich erst in den 1960er Jahren in Bewegung – spät im internationalen Vergleich, aber gründlich.

Die zunehmende Durchsetzung des Konzept von "Public Relations" – Öffentlichkeitsarbeit, die sich in ihrer Diskretion von expliziter Werbung unterschied – ermunterte ab Mitte der 1960er Jahre sowohl Lehrfilmorganisationen als auch private Firmen zu verstärkter Zusammenarbeit: Die Lehrfilmstelle des Unterrichtsministerium, SHB, berichtete stolz von der Kooperation mit Mobil Oil für einen Schulfilmdreh ("Die Donau in Österreich") und ließ einen PR-Sprecher von Shell auf ihren Seiten für verstärkte Zusammenarbeit mit der Industrie werben ("Möglichkeiten der Zusammenarbeit Schule-Industrie auf dem Gebiet der AVM"). Mit dem Österreichischen Filmservice gab es ab 1969 einen neuen privatwirtschaftlichen Filmverleih, der für nichtkommerzielle Vorführungen, unter anderem an Schulen, sogenannte "Informationsfilme" von Firmen und politischen Organisationen anbot. (Auch hier war die Ölindustrie sehr präsent, mit dem Portfolio von British Petroleum.) Das private Angebot traf in den frühen 1970er Jahren auf reges Interesse, vielleicht auch, weil im Lauf der 1960er Jahre wesentlich mehr Schulen mit Tonfilmprojektoren ausgerüstet worden waren, die Altbestände der SHB aber großteils Stummfilme waren. Diese griff selbst gern auf alte Tonlehrfilme von Shell zurück, als sie Anfang der 1970er Jahre ein Programm an kurzen Erklärfilmen für die neuen Super-8mm-Projektoren zusammenstellte (siehe: "Reibungswiderstand + Induzierter Widerstand"). Auch in der Filmerziehung waren Werbe- und PR-Filme dankbare Beispiele: Eine Kompilation aktueller österreichischer Werbefilme wurde von der SHB als Lehrmittel zur Filmanalyse bereitgestellt (siehe dazu den Text "Was hat die Werbung in der Schule zu suchen"), der oscarprämierte BP-Kurzfilm "Giuseppina" (1959) wurde ebenfalls gern mit Schüler*innen untersucht: Mit Film lernen hieß so um 1970 auch die Filmbilder des Kapitalismus deuten lernen.

(Text und Fallstudie: Joachim Schätz)

BILD: Bildmontage in: Hubalek, Franz: Was hat die Werbung in der Schule zu suchen?, in: Sehen und Hören, H. 27/1966, 77.

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