Pädagogik der Beratung: Zum Beispiel Landwirtschaft

Fallstudie, EDU_COLL_007


Um 1950 wurde im österreichischen Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft eine eigene Lichtbild- und Filmstelle eingerichtet. Diese richtete sich nicht nur an die land- und forstwirtschaftlichen Berufsschulen, sondern besonders auch an den Sektor der beruflichen Weiterbildung. Im Unterschied zu früheren Einsätzen von Film in der Fortbildung spielte in Österreich wie in Westdeutschland nach 1945 der Begriff der "Beratung" eine prominente Rolle: Bäuerinnen und Bauern wurden mit diesem Begriff als autonome Kleinunternehmer*innen adressiert, die von ihrer Standesvertretung, etwa den über Österreich verteilten Bezirksbauernkammern, Unternehmensberatung erhielten. Diese als Dienstleistung präsentierten Gruppen- und Einzelberatungen mit Filmvorführung zielten zugleich auf zentral erwünschte Reformen und Professionalisierungen der kleinteiligen Land- und Forstwirtschaft ab und wurden in Begleitorganen wie "Der Förderungsdienst" (1953–2000, herausgegeben vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft) als pädagogische Spezialaufgabe aufgefasst.

Die Fallstudie präsentiert einige Beiträge zu einer solchen Pädagogik der Beratung im Bereich der Land- und Forstwirtschaft im Österreich der ersten beiden Nachkriegsjahrzehnte. Sie versammelt vor allem drei Anschauungsbeispiele für eine audiovisuelle Pädagogik des "Beratungsfilms", der sich um 1960 als eigene deutschsprachige Genrebezeichnung fast ausschließlich in diesem Sachgebiet durchsetzte: Der Unfallverhütungsfilm "Hinterm Hof – der Feuerreiter" (von circa 1950) inszeniert ein zeittypisches Drama der Beratung-als-Bekehrung durch den charismatischen Experten. Zwei 1966 entstandene, in Ausschnitten präsentierte Episoden der Beratungssendung "Mit Rat und Tat", die ebenfalls als 16mm-Kopien auf Beratungsveranstaltungen gezeigt wurden, bemühen sich dagegen um eine rhetorische Demokratisierung und Anerkennung der beratenen Bäuer*innen: In "Weinbau – Betriebswirtschaft" werden abschließend Weinbauern über ihre eigenen Arbeitserfahrungen befragt, wobei der paternalistische Interviewstil bevorzugte Ergebnisse nie aus dem Blick verliert; "Wirtschaftsraum" führt die gelungene Gestaltungsweise eines Schleusenraums im Bauernhof im Stil einer Homestory vor, in der die besuchte Bäuerin allerdings auch Requisit für die Inszenierung der Beraterin bleibt. Wie solche Filme eingesetzt werden sollten, wird in drei ausgewählten Aufsätzen aus "Der Förderungsdienst" erläutert.

(Text und Fallstudie: Joachim Schätz)

BILD: Szene der Beratung aus dem Film "Hinterm Hof – der Feuerreiter"

WEITERFÜHRENDE LITERATUR:
Joachim Schätz, "No Instructions, Just Some Advice: Agricultural Film and the Pedagogy of Consulting in 1950s and 1960s Austria", in: Katrin Pilz, Joachim Schätz (Hg.): Educational Film: Histories and Historiographies of Practice, Themenheft von Research in Film and History, Jg. 5 (2023) Nr. 5 – https://film-history.org/index.php/issues/text/no-instructions-advice

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