Geschichtlichkeit des Dispositivs Kulturfilm und Filmvortrag
Fallstudie, EDU_COLL_012
In der Zwischenkriegszeit entwickelte das Volksbildungshaus Wiener Urania, eine der führenden Institutionen der Erwachsenenbildung in Österreich, ein Modell der kulturellen Bildung durch filmische Unterhaltung, das auf den Idealen der Kinoreformbewegung vor dem Ersten Weltkrieg für eine Verbürgerlichung der Filmkultur aufbaute. Im Zentrum dieses Modells stand eine Vorführungspraxis, die den filmischen Text mit einer ganzen Reihe von weiteren Medien umgab, deren Ziel nicht nur die Aufklärung und vertiefende Bildung, sondern auch die Läuterung des Gefühlslebens des Publikums war.
Zwar hatte die Wiener Urania schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts Filme in ihren Programmen eingesetzt. Aber mit der erfolgreichen Vorführung des abendfüllenden Kulturfilms "Das Wunder des Schneeschuhs" (1920) begann an diesem Ort eine neue Vorführpraxis. In deren Zentrum stand nunmehr der Film, der oft neu montiert und durch die Vorführung von Lichtbildern (auch zwischen Filmausschnitten), einem Begleitvortrag und Live-Musik kombiniert wurde. Teil der Fallstudie sind die Lichtbilder und Vortragstexte für die Uraniafilm-Vorfürhungen zu "Das Wunder des Schneeschuhs" und "Shackletons Südpol-Expedition". Die Typoskripte funktionieren dabei wie Partituren, die Einblick in ein variantenreiches Zusammenspiel von Film, Dia, Musik und gesprochenem Wort geben.
Dagegen geben spätere Skripte, für die Begleitvorträge zu "Wege zu Kraft und Schönheit" (1925) und "Moana" (1926), vor allem Einblick in die Schwierigkeiten, komplexer gestalteten nicht-fiktionalen Werken mit dem uraniatypischen gebildeten Kommentar noch hinterher zu kommen: Im ersten Fall verdoppelt der Prolog des Skripts, was der Film im ersten Akt tut, im zweiten bleibt nur noch, das Publikum auf den – in sich geschlossenen – Film einzustimmen. Ende der 1920er Jahre zog sich die Urania von diesem Format des Filmvortrags wieder zurück, in Anbetracht des kommenden Tonfilms, aber auch weil das Publikumsinteresse nachließ. Für österreichische Produktionen wie "König Dachstein" (1923) war es ohnehin von Anfang an überschaubar geblieben.
(Text: Vrääth Öhner, Joachim Schätz, Fallstudie: Vrääth Öhner)
BILD: Logo des Filmverleihs der Wiener Urania, Katalog Uraniafilme, Wien 1933, 1.
WEITERFÜHRENDE LITERATUR:
Vrääth Öhner, "In Defense of Culture: The Vienna Urania and the Cultural Film", in: Katrin Pilz, Joachim Schätz (Hg.): Educational Film: Histories and Historiographies of Practice, Themenheft von Research in Film and History, Jg. 5 (2023) Nr. 5 – https://film-history.org/index.php/issues/text/defense-culture-vienna-urania
Zwar hatte die Wiener Urania schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts Filme in ihren Programmen eingesetzt. Aber mit der erfolgreichen Vorführung des abendfüllenden Kulturfilms "Das Wunder des Schneeschuhs" (1920) begann an diesem Ort eine neue Vorführpraxis. In deren Zentrum stand nunmehr der Film, der oft neu montiert und durch die Vorführung von Lichtbildern (auch zwischen Filmausschnitten), einem Begleitvortrag und Live-Musik kombiniert wurde. Teil der Fallstudie sind die Lichtbilder und Vortragstexte für die Uraniafilm-Vorfürhungen zu "Das Wunder des Schneeschuhs" und "Shackletons Südpol-Expedition". Die Typoskripte funktionieren dabei wie Partituren, die Einblick in ein variantenreiches Zusammenspiel von Film, Dia, Musik und gesprochenem Wort geben.
Dagegen geben spätere Skripte, für die Begleitvorträge zu "Wege zu Kraft und Schönheit" (1925) und "Moana" (1926), vor allem Einblick in die Schwierigkeiten, komplexer gestalteten nicht-fiktionalen Werken mit dem uraniatypischen gebildeten Kommentar noch hinterher zu kommen: Im ersten Fall verdoppelt der Prolog des Skripts, was der Film im ersten Akt tut, im zweiten bleibt nur noch, das Publikum auf den – in sich geschlossenen – Film einzustimmen. Ende der 1920er Jahre zog sich die Urania von diesem Format des Filmvortrags wieder zurück, in Anbetracht des kommenden Tonfilms, aber auch weil das Publikumsinteresse nachließ. Für österreichische Produktionen wie "König Dachstein" (1923) war es ohnehin von Anfang an überschaubar geblieben.
(Text: Vrääth Öhner, Joachim Schätz, Fallstudie: Vrääth Öhner)
BILD: Logo des Filmverleihs der Wiener Urania, Katalog Uraniafilme, Wien 1933, 1.
WEITERFÜHRENDE LITERATUR:
Vrääth Öhner, "In Defense of Culture: The Vienna Urania and the Cultural Film", in: Katrin Pilz, Joachim Schätz (Hg.): Educational Film: Histories and Historiographies of Practice, Themenheft von Research in Film and History, Jg. 5 (2023) Nr. 5 – https://film-history.org/index.php/issues/text/defense-culture-vienna-urania